Fragen und Antworten rund um das Turner-Syndrom aus Sicht von Betroffenen und Angehörigen
Nachfolgend Fragen und Antworten einiger Betroffener und Angehöriger (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Wie hast Du erfahren, dass du das Turner-Syndrom hast?
„Bei mir hat man herausgefunden, dass ich das Turner-Syndrom habe, als ich 4 Jahre alt war. Man merkte, dass etwas nicht stimmt, weil ich ein wenig geistig behindert bin. Ich fing erst spät an zu laufen und sprechen konnte ich auch erst später. Man hat erst gedacht, dass Turner-Syndrom und geistige Behinderung zusammen gehören. Jetzt weiss man, dass es nicht so ist. Als Kind wurde mir gesagt, dass ich nicht gross werde. Wachstumshormone hat es damals noch nicht gegeben.“
„Meine Eltern wussten es schon ziemlich früh, gleich nach meiner Geburt. Erzählt haben sie es mir erst, als ich mit 7 Jahren zum Arzt musste, um die Spritzen für das Wachstum zu bekommen. Meinen Eltern fiel es sehr schwer, mir das zu sagen. Am Anfang und bis vor einigen Jahren hatte ich sehr viel Mühe damit. Heute nicht mehr. Es war schwierig zu akzeptieren, dass ich anders bin.“
„Ich habe es erst mit 16 erfahren. Weil ich 2 Monate zu früh geboren wurde, hat man es nicht gemerkt. Für meine Eltern und für mich war das schon ein Schock. Die Assistenzärztin ist damals der Sache nachgegangen und hat es uns gesagt.
Mit 16 hatte ich immer noch keine Periode, das hat mich genervt. Aber erst dann, mit 16, hat man herausgefunden, dass ich keine Periode bekomme wegen dem Turner-Syndrom. Der Arzt hat aber nicht viel erklärt und meine Mutter hat dann im Internet nachgeschaut, was Turner-Syndrom genau ist. Dann hat sie auch Kontakt mit der Selbsthilfegruppe aufgenommen und ich habe mich an die Teenie-Gruppe angeschlossen. Das war eine sehr gute Unterstützung, vor allem am Anfang, wenn man nicht weiss, wie man damit umgeht und was das Turner-Syndrom genau ist.“
Wann erfuhren Sie vom Turner-Syndrom Ihrer Tochter?
„Wir haben es erst erfahren, als unser Tochter neun Jahre alt war. Sie trägt zwar seit ihrem vierten Lebensjahr Hörgeräte, da sie nicht so gut hört, aber trotzdem hat bei ihr kein Arzt an das Turner-Syndrom gedacht. Doch irgendwann wuchs sie einfach nicht mehr, und wir haben daraufhin einen Endokrinologen aufgesucht. Er hat mit Hilfe eines Gentests bestätigt, dass unsere Tochter das Turner-Syndrom hat. Wir wurden sehr gut beraten und sie hat sofort mit dem Spritzen der Wachstumshormone begonnen, die auch sehr gut gewirkt haben.“
„Im Spital sah ich, dass meine Tochter einen angeschwollenen Fuss hatte. Die Krankenschwester durfte mir keine Auskunft geben: ich müsse mit dem Arzt sprechen. Da ich nicht über das Wochenende ohne Antwort bleiben konnte, wollte ich von der Krankenschwester wissen, ob meine Tochter etwas Lebensbedrohendes hätte. Auch darüber durfte Sie mir keine Auskunft geben. So bekam ich immer mehr Angst. Der Arzt kam schliesslich zwei Stunden später: Die Informationen wurden Tröpfchen-Weise gegeben. „Die Grösse vom Kind sei kein Problem, man könne Wachstumshormone spritzen, bis das Kind 1.70m ist“.
Später beim Kinderarzt, während den genaueren Untersuchungen hat man mir mehr über das Turner-Syndrom erklärt.“
„Mein Kind war 2 Jahre alt und ich war schon ein bisschen über das Turner-Syndrom informiert. Ich hatte das Gefühl, dass mein Kind das Turner-Syndrom hat, aber der Arzt verneinte. Ich habe eine weitere Untersuchung von einem anderen privaten Arzt in Zürich verlangt. Nach sechs Wochen bekam ich die Bestätigung. Die Resultate vom Labor waren positiv für Turner-Syndrom.“
Wie gehen Sie mit Ihrer Tochter nach der Diagnose um?
„Nach der Diagnose habe ich versucht, so schnell wie möglich als Familie wieder ein normales Leben führen zu können. Die Beziehung zum Kind ist natürlich anders geworden durch die ganzen Untersuchungen, die durchgeführt werden müssen. Man muss sich mehr um das Kind kümmern, die Beziehung ist viel enger, was auch schön ist. Aber ihre Entwicklung unterscheidet sich nicht von anderen Kindern.“
„Am Anfang braucht das Kind sehr viel Aufmerksamkeit wegen den vielen Untersuchungen. Danach sollte es ganz normal in die Familie integriert werden, ohne Spezialbehandlungen wegen dem Turner-Syndrom. Auch wenn das Kind Schwierigkeiten hat beim Lernen für die Schule, sollte ein Turner Kind ganz normal behandelt werden. Es war mir sehr wichtig, dass ich nicht alles auf das Turner-Syndrom beziehe. Es ist so, wie es ist. „Normale“ Kinder können auch Schwierigkeiten in der Schule haben. Ich denke nicht, dass das Kind wegen dem Turner-Syndrom mehr Aufmerksamkeit braucht. Jedes Kind ist anders, ist individuell.“
„Wir fanden es sehr wichtig, dass das Kind altersgerecht gut über die Diagnose und notwendige Untersuchungen und Behandlungen informiert wird. Deswegen haben wir mit ihr auch immer sehr offen über das Turner-Syndrom gesprochen. Ansonsten erziehen wir unsere Tochter genau gleich, wie unsere anderen Kinder. Wir haben festgestellt, dass sie ihre Ziele ganz schön hartnäckig verfolgt und es ihr gut tut, dass wir an sie und ihr Können glauben.“
Wie sieht die Behandlung aus und wie gehen die Kinder damit um?
„Es wird gesagt, dass das Alter von 7 Jahren ideal ist, um mit den Wachstumshormonspritzen anzufangen. Aber von einer Mutter habe ich gehört, dass sie jetzt schon bei ihrer zweijährigen Tochter anfängt zu spritzen. Ich habe das Gefühl, dass es keinen richtigen Zeitpunkt gibt. Vielleicht ist es auch vom Kind abhängig. Für das Kind ist es sicher besser, wenn es verstehen kann, warum es spritzen muss. Im Moment wird es scheinbar so interpretiert: Je früher Wachstumshormon gespritzt wird, desto mehr kann das Kind wachsen. Als meine Tochter angefangen hat zu spritzen, ist sie innerhalb von einem Jahr 8-10cm gewachsen - eine richtige Explosion! Vielleicht wachsen die Kinder langsamer, weniger explosiv, wenn man schon mit 2 Jahren anfängt. Das wird man erst in ein paar Jahren wissen.“
„Unsere Tochter wollte von Anfang an alleine spritzen können, so war sie nämlich viel unabhängiger. So konnte sie auch ins Klassenlager gehen und wir haben ihr die Spritzen mitgegeben. Wir haben ihr auch gesagt, dass sie selbst entscheiden soll, wem sie von ihrem Turner-Syndrom erzählen möchte. Wir Eltern haben uns da nicht eingemischt. Es ist ihre Entscheidung. Nur den Lehrer haben wir vor einen Klassenlager informiert, damit er weiss, dass das Medikament im Kühlschrank aufbewahrt werden muss.“
„Die vielen Untersuchungen nerven unsere Tochter schon sehr. Doch nach den ganzen Erstabklärungen, muss sie nun nicht mehr so oft zum Arzt. Das Spritzen der Wachstumshormone hat von Anfang an gut geklappt und sie hat dies immer selbständig gemacht. Auch die Therapie mit den Geschlechtshormonen funktioniert ohne Probleme.“
Wie geht ihr mit der Kinderlosigkeit um? Wäre Adoption ein Thema?
„Meine Schwester kann keine Kinder haben und sie hat zwei Buben aus Mexiko adoptiert. Das ist ein schönes Beispiel für meine Tochter mit Turner-Syndrom. Meine Tochter mag die beiden Buben sehr gerne. Sie sagt selber schon, dass sie mal nach Mexiko fliegt und auch ein Kind adoptiert.“
„Ich war 2008 bei meiner Frauenärztin und sie hat mir bestätigt, dass ich trotz Turner-Syndrom schwanger werden kann. Sie sagte mir, ich soll verhüten. Es werden noch andere Untersuchungen gemacht, aber bald weiss ich es genau.“
„Ich denke, es ist ein Vorteil wenn die Turner-Mädchen früh wissen, dass sie keine Kinder kriegen können. So können sie sich darauf einstellen. Es gibt immer mehr Möglichkeiten: Zum Beispiel künstliche Befruchtung und Adoption. So kann jede selber herausfinden, was für sie und den Partner stimmt.“