Interview mit childless
Im November 2021 führten wir mit Johanna Cotting, die childless (Beratung, Coaching und Prozessbegleitung zum Thema "ungewollt kinderlos") gegründet hat ein Interview.
Liebe Johanna, wie bist du auf die Idee gekommen, childless zu gründen?
Das Kinderwunschthema war seit Jahren immer wieder präsent und kam immer wieder hoch. Plötzlich hatte ich es satt, in dieser Energie festzustecken und nicht weiterzukommen. Ich wollte nicht noch mehr Zeit und Jahre mit dem unerfüllten Kinderwunsch hadern, sondern meine Energie in etwas Sinnvolles investieren, das mir Freude macht und mich erfüllt. Es gibt Tausende von Möglichkeiten und Wege, die mir offenstehen: Weshalb sollte ich mich auf das eine Thema fokussieren, das nun mal einfach nicht geht in diesem Leben?
Wie passt dein Projekt zu deiner Ausbildung/deinem Beruf?
In meiner Ausbildung als Lehrperson Sek 1 hatte ich auch einige Seminare / Vorlesungen im Bereich Psychologie. Dies hat mich immer sehr interessiert: Weshalb sind wir Menschen so, wie wir sind? Weshalb handeln wir in bestimmten Situationen so und nicht anders? Weshalb gehen zwei Personen mit demselben Schicksal / Thema so unterschiedlich um? Die eine Person wächst daran, wird stark, die andere Person zerbricht. Auch Themen der menschlichen Entwicklung haben mich immer fasziniert. Natürlich haben wir als zukünftige Lehrpersonen auch gelernt, wie man mit Menschen Gespräche führt und angemessen kommuniziert. Dies kommt mir im Coaching zugute. Auch der Kontakt und Austausch mit Menschen, bei dem Einfühlungsvermögen gefragt ist, habe ich sowohl in meinem Beruf als Lehrerin wie auch in der Rolle der Beraterin.
Könntest du bitte kurz erläutern, was du genau für ein Angebot anbietest? (Beratung, Selbsthilfegruppe ? - wo, wie häufig), bietest du auch online Beratung an?
Ich biete eine Beratung für Paare / Einzelpersonen an, die ungewollt kinderlos sind. Die Gründe der Kinderlosigkeit spielen dabei keine Rolle. Ich stelle den Personen Fragen und versuche sie dann auf dem Weg zu der für sie passende Lösung zu begleiten und zu unterstützen. Es geht also keinesfalls darum, z.B. eine Frau von ihrem Kinderwunsch abzubringen, sondern zu schauen, was ihr guttut und für sie stimmt. Wichtig ist mir dabei auch, dass ich nicht werte. Wenn es für jemanden stimmt, verschiedene Behandlungen in einer Klinik auszuprobieren, eine Samen- oder Eizellenspende in Anspruch zu nehmen oder wenn jemand beabsichtigt ein Kind zu adoptieren, ist das genauso o.k., wie wenn sich jemand vom unerfüllten Kinderwunsch verabschieden will, ohne alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Die Einzelpersonen oder Paare dürfen bei mir einen Termin für ein Gespräch abmachen. Dies findet in einer Praxis in Bern statt, in die ich mich einmieten darf. Weiter veranstalte ich auch Treffen mit ungewollt kinderlosen Menschen, um den gegenseitigen Austausch zu fördern. Dies hilft, sich mit dem Thema weniger allein und sich besser verstanden zu fühlen. Häufig ist es schon so, dass jemand, der nie in dieser Situation war, die Problematik gar nicht wirklich nachvollziehen und sich nur bedingt in diese Lage hineinversetzen kann. Diese Treffen finden bei schönem Wetter an einem schönen Ort in der Natur in Bern statt oder auch in der Praxis. Nun bin ich dabei, mein Angebot zu erweitern und möchte auch Schwangere beraten, die ein Mädchen mit dem Turner Syndrom erwarten, da ich selbst davon betroffen bin. Auch Eltern mit einem Kind, welches das X0 hat, können sich gerne an mich wenden. Ich kann mir vorstellen, dass es ihnen helfen kann, zu hören, was für mich als Kind / Jugendliche seitens meiner Eltern besonders fördernd war. Auf Wunsch kann man gerne auch ein Onlinegespräch mit mir vereinbaren, z.B. wenn der Weg zu weit wäre. Alles zum Angebot findet man auf der Internetseite childless.ch.
An wen richtest du dich mit deinem Angebot?
Ungewollt kinderlose Paare und Eltern mit einem Kind, welches das Turner Syndrom hat.
Was darf ich Persönliches zu dir als Person schreiben?
Seit ich das Turner Syndrom und die Unfruchtbarkeit als Teil von mir bewusst angenommen habe, geht es mir sehr gut. Es braucht viel weniger Energie, wenn man zu dem steht, was man ist. Wie oben erwähnt möchte ich die Menschen selber herausfinden lassen, was für sie der optimale Weg ist und nicht werten.
Gibt es etwas Wichtiges, dass ich vergessen habe
Ich bin sehr motiviert, eine Weiterbildung im Bereich Beratung / Coaching zu machen. Aufgrund meiner Ausbildung, meines Berufes als Lehrerin und meinen persönlichen jahrelangen Erfahrungen mit den Themen fühle ich mich jedoch bereit, mit dem Projekt zu starten. Sollte ich während der Arbeit merken, dass diese oder jene Weiterbildung passend wäre, wäre ich bestimmt nicht abgeneigt, da ich es spannend finde, immer wieder Neues zu lernen im Leben.